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 „Voll das Leben


Den Text der Feier hatte Carolin Emcke geschrieben: Sie erhielt den Preis als beste Reporterin 2010 für ihre irakische Kriegsreportage "Der erste Schuss fällt nach fünf Minuten" aus dem "Zeit Magazin". Das Wort dieses verschneiten Kreuzberger Abends aber prägte Sabine Rückert von der "Zeit": Sie trat ans Mikro, um Mario Kaiser als besten freien Reporter für seinen "brand-eins"-Text "Herrn Inces Lohn" auszuzeichnen, und sagte "Reportase". Womit, falls es am Ende kein Versprecher gewesen sein sollte, vermutlich der Zustand bei der Lektüre eines langen Textes aus dem wirklichen Leben gemeint ist, wie es Reportagen meistens sind.

Der Deutsche Reporterpreis, ausgerichtet vom Reporter Forum, hat in seinem zweiten Jahr neue Formate berücksichtigt: Diesmal gab es auch eine Auszeichnung für das beste Interview - Beate Lakotta erhielt sie für "Ein Leben wie im Fegefeuer", ihr Gespräch mit einem Alzheimer-Kranken aus dem "Spiegel" - und für den besten Essay: den hatte der "Geo"-Autor Andreas Weber mit "Lasst sie raus!" geschrieben, ein Plädoyer für glücklich-verwilderte Kindererziehung.

Alexander Gorkow und Tobias Kniebe von der "Süddeutschen Zeitung" wurden für ihr Porträt des Filmemachers Klaus Lemke als Kulturreporter ausgezeichnet, Roland Kirbach von der "Zeit" als politischer Reporter für "Der Kinderknast von Lesbos", darin geht es um afghanische Flüchtlinge auf der Insel Lesbos. Volker ter Haseborg vom "Hamburger Abendblatt" wurde Lokalreporter des Jahres für "Er wollte so gern ein Deutscher sein", eine Geschichte über den Selbstmord eines Abschiebehäftlings. Zum besten Webreporter erklärte die Jury um Nikolaus Brender, Monika Maron und Axel Hacke schließlich Felix Seuffert, dessen Audio-Slideshow "After the War" über einen kongolesischen Fußballer prämiert wurde.

Den Festvortrag hielt der Soziologe Heinz Bude. Unruhe löste das Jury-Mitglied Harald Schmidt aus, als er Heiner Müller zitierte: "Die Welt ist nicht schlecht, sondern voll." Für echte Reportase war die Halle des Umspannwerks, wo sich neben der Jury und den fast neunzig Nominierten vor allem Hamburger und Münchner und Hauptstadtjournalisten versammelt hatten, aber vielleicht nicht voll genug.

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erschienen in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ),
am 08.12.2010

 

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